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Radreise in Russland #1 – Durch die Steppe nach Wolgograd

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Wir überqueren die Grenze nach Russland am 13.04.2017. Aus Georgien kommend, sind wir zusammen mit George, einem Radfahrer aus England, über das Kaukasus Gebirge gefahren. Nun stehen wir also zusammen vor dem russischen Grenzposten und müssen erstmal ein paar Formulare ausfüllen.

Zur Info: Wenn du jetzt etwas verwirrt bist, wieso wir vorletzte Woche noch über unsere Reise durch Israel und Jordanien geschrieben haben und wir jetzt auf einmal in Russland sind, schau unbedingt mal auf unserer Landkarte vorbei und kuck dir unsere Route an. Wir haben die Blogartikel aus Israel etwas zurückgehalten um keine Probleme bei unserer Reise durch den Iran zu bekommen. Ab jetzt stimmt die Reihenfolge wieder, versprochen!

Die ersten Tage in Russland

Also zurück nach Russland! Wir müssen insgesamt knapp zwei Stunden an der Grenze warten und einige Befragungen über uns ergehen lassen. Die Jungs sind etwas Misstrauisch und das bessert sich auch nicht, als plötzlich noch ein vierter Radfahrer auftaucht – Marcus aus Brasilien!
Jetzt stehen hier also vier Radfahrer an der Grenze – Eine Russin, ein Deutscher, ein Engländer und ein Brasilianer. Ja, vielleicht schon verständlich, dass wir nicht sofort durchgewunken werden! Aber irgendwann dürfen wir dann weiter und sind endlich in Russland, Olgas Heimatland!

Wir fahren zu viert in die nächste Stadt, Wladikawkas und übernachten dort in einem Hostel. Michel und die beiden anderen Jungs müssen sich als Ausländer innerhalb von 7 Werktagen bei der Polizei, der Post oder der Immigrationsbehörde registrieren. Unsere Versuche, dass hier zu erledigen scheitern, da niemand wirklich bescheid weiss und alles ziemlich durcheinander ist. Bei der Post bekommen wir ein Angebot, “Die Sache zu klären”, aber da es auch etwas “Kosten wird”, beschließen wir, dass wir es in der nächsten Stadt nochmal probieren.

Wir gehen in den Supermarkt und Olga findet sofort ihre ganzen Lieblings-Lebensmittel. Gut versorgt gehen wir ins Hostel und lassen uns ein leckeres, russisches Abendessen schmecken.

Am nächsten Morgen fahren wir zu dritt mit George Richtung Nordwesten, nach Naltschik. Marcus fährt in Richtung Nordosten direkt nach Kasachstan und so verabschieden wir uns von ihm. Wir fahren durch kleine Dörfer, entlang der Hauptstraße, durch Regen und Sturm, aber wir pushen uns gegenseitig immer wieder hoch und am Abend stehen wir, nach 120km, in Naltschik vor Natalyas Wohnung. Sie ist unser Couchsurfing Host und wir verbringen 2 Nächte bei ihr. Hier schaffen wir es dann auch uns zu registrieren und wir haben eine tolle Zeit mit gutem Essen und viel Wodka!

Eine Stadt weiter, in Pjatigorsk, wartet dann auch schon unser nächster Host! Diesmal über die Plattform Warmshowers. Sergej empfängt uns fröhlich und wir haben auch hier einen sehr tollen Aufenthalt. Sergej ist ein echter Naturbursche und er macht so gut wie alles selber. Er hat seinen eigenen Gemüsegarten und diverse Obstbäume und macht aus der Ernte leckeres eingelegtes Gemüse und diverse Marmeladen. Er hat auch selber einen Tannenzapfenschnaps gebrannt, den wir natürlich ausgiebig verkosten und der wirklich ganz ausgezeichnet schmeckt!

In die Steppe von Kalmückien

Wir verabschieden uns nun von George, denn er möchte zurück in die Berge fahren, während wir in Richtung Norden weiter in die Steppe fahren werden. Zunächst ist es jedoch noch recht bergig und es gibt noch viele Bäume. Als wir uns nach ein paar Kilometern umdrehen, haben wir einen sagenhaften Ausblick auf den Elbrus, den höchsten Berg Europas, der sich im Kaukasus Gebirge befindet. Nachdem wir bis jetzt noch gar nicht in Russland gecampt haben, steht heute endlich wieder eine Nacht im Zelt an. Wir finden auch einen tollen Campingspot an einem kleinen Fluss und richten uns ein gemütliches Nachtlager ein.

Am nächsten Tag kommen wir nach einger Zeit in einer kleinen Stadt an und beschliessen noch ein bisschen einzukaufen. Während Olga einkauft, wartet Michel draußen bei den Rädern. Nach ein paar Minuten kommen zwei, etwa gleichaltrige Russen zu ihm. Die beiden haben Trainingsanzüge an, kurz geschorene Haare und Sonnenbrillen auf.

Mit den geringen Russischkenntnissen von Michel entsteht tatsächlich so etwas wie eine Konversation. Die beiden sind auf jedenfall super glücklich dass er in Russland ist und aus Deutschland kommt. Zu dritt wird noch ein Selfie gemacht und dann holt einer der beiden seine Geldbörse raus und will Michel 200 Rubel (~3€) in die Hand drücken. “Nein, danke danke, passt schon!”, jedoch ist die wiederrede zwecklos und mit den Worten “Das hier ist Russland, willkommen!” steckt er die Scheine in die Brusttasche von Michels Hemd und die beiden verabschieden sich.

Am Abend dürfen wir unser Zelt neben einem Restaurant aufbauen und bekommen von dem Besitzer noch einen Tee. Ein abgefahrener Tag, schon ziemlich nett hier oder? Meint Michel beim Abendessen. Ja, sowas hätte ich in Russland niemals erwartet! Antwortet Olga.

Nachdem wir jetzt ca. 3 Tage durch Wälder und immer flacher werdende Landschaften gefahren sind, verschwinden nun langsam die Bäume und wir nähern uns der Steppe. An einer Tankstelle werden wir vorgewarnt: “Achtung, ihr fahrt jetzt in den Landkreis Kalmückien, da gibt es nur Steppe und Wind und die Leute sind verrückt! Die trinken ihren Tee mit Salz und Pferdemilch!”.

Nunja, was sollen wir sagen, das ist tatsächlich die Wahrheit!

Wir fahren durch flache, grün, braune Landschaften und der starke Wind fetzt uns fast von den Fahrrädern. Wir nähern uns der Landeshauptstadt Elista.

Elista ist die größte buddhistische Stadt in ganz Russland und man merkt wie stark die Stadt durch den damaligen mongolischen Einfluss geprägt ist. Die Menschen sehen komplett anders aus, haben diese typischen ostasiatischen Gesichtszüge, aber sprechen dabei akzentfreies russisch – Hier kann man richtig gut sehen, wie sich die Kulturen mit der Zeit vermischt haben. Achja, und auch die beliebte Pferdemilch kommt ursprünglich von den Nomadenvölkern der Mongolei!

Die Stadt hat mehrere buddhistische Tempel und in dem Haupttempel steht die einzige Buddha Statue in ganz Europa – Es ist sehr bewegend an diesem einzigartigen Ort sitzen zu dürfen.

Ebenfalls interessant ist, dass die ganez Stadt total verrückt nach Schach ist. 1998 fand hier die Schacholympiade statt und es wurde eine ganzer Stadtteil gebaut, der “Schach-City” heisst. Dort gibt es nun diverse Schachschulen und ein Schachmuseeum und die ganze Stadt ist nach wie vor fasziniert von diesem Spiel!

Jetzt geht es weiter durch die Steppe bis nach Wolgograd. Für ein paar Tage ist es ziemlich windig und es ist anstrengend durch die eintönige Landschaft zu fahren. Kurz vor Wolgograd, am 26. April feiern wir Olgas Geburtstag in der Steppe. Es gibt Kuchen aus Waffeln und Marmelade und dazu ein paar Drinks – Gar nicht so schlecht!

Wolgograd, ehemals Stalingrad

Am nächsten Tag haben wir sehr starken Rückenwind und wir schießen förmlich über die Straße in Richtung Wolgograd. Nach knapp 5 Stunden auf den Rädern haben wir 111km geschafft und stehen im Zentrum von Wolgograd. Wir haben uns in einem Hostel einquartiert und wollen uns ein bisschen die Stadt anschauen.

Von Michels Onkel haben wir vor ein paar Wochen aber noch eine weitere, viel wichtigere Aufgabe erhalten:
Er schrieb uns, dass Michels Ur-Ur-Onkel im im zweiten Weltkrieg, im Krieg von Wolgograd (ehemals Stalingrad), gefallen ist und ob wir nicht etwas näheres herausfinden können. Jetzt gibt es hier, etwas ausserhalb der Stadt einen riesigen, deutschen Soldatenfriedhof und wir vermuten, dass er dort begraben sein muss. Tatsächlich konnten wir nach etwas Recherche im Internet rausfinden, dass er wohl wirklich dort begraben ist. Wir haben uns ein Taxi genommen und sind die etwa 30km bis zum Friedhof gefahren um Michels Onkel dort die letzte Ehre zu erweisen. Ein sehr berührendes Erlebnis, aber auch ohne diese persönliche Verbindung ist die Gedenkstätte sehr bewegend und regt zum Nachdenken an. Der Eingang wird durch folgende Wörter geziert:

“Dieser Soldatenfriedhof ist auf dem Gelände erbaut, auf dem 1942 der Sturm des Krieges die Dörfer Bolschaja- und Malaja-Rossoschki zerstört hat, die in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet wurden. Die Erde hier ist getränkt mit Blut von Zehntausenden Soldaten und Zivilbevölkerung – ihre Stimmen rufen uns zu: In harten, schrecklichen Stunden sind wir gefallen. Uns war nicht die Möglichkeit gegeben, in dieser Welt zu leben. Lebende, denkt an uns und sorgt dafür, dass ewiger Friede wird auf dieser Erde.“

Das machen wir jeden Tag, mein lieber Onkel! Wir sind froh, dass sich die Zeiten geändert haben und wir heute, 75 Jahre später, gemeinsam als Deutsch-Russisches Paar mit unseren Fahrädern unbesorgt durch dieses Land fahren können!

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4 Comments
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Markus
5 Jahre zuvor

Hallo ihr beiden,

ich bin Markus, ich hab euch bereits vor ein paar Monaten geschrieben, bin zufällig auf euren Blog gestoßen und immer noch fasziniert von euren Beiträgen.

Wenn ich mir die Bilder so ansehe… ihr beide gaaaaanz alleine in der Steppe. Irgendwie wirkt das ja fast surreal. Ist das wirklich so menschenleer wie das auf den Fotos wirkt? Ihr beide seht wirklich tagelang keinen Menschen und seid total auf euch gestellt? Wirkt auf jeden Fall total spannend =)

Wie geht es euch eigentlich körperlich? Hat sich der Körper an die strampelnden Beine überlegt oder habt ihr öfter Schmerzen und müsst mehr Pausen einlegen?

Wünsche euch auf jeden Fall weiterhin viel Spaß auf eurerer Reise und viele schöne Erlebnisse!

Lg
Markus

leon
5 Jahre zuvor

Hallo ihr beiden,

hab mal Weltumrundung eingegeben, da mich das Thema interessiert (M, 21). Durch Zufall bin ich auf eure Seite gestoßen. Ich find die echt gut.

Jetzt bin ich nur ein wenig verwirrt, seit ihr immernoch unterwegs?
Habe am Anfang gelsen, dass die Weltumrundung ein Jahr dauern soll.

Jetzt grade seid ihr also in Indien?

Viele Grüße
Leon